Das Spannungsfeld der Großmächte: Der Aufstieg Chinas und dessen Folgen

Wir befinden uns in einer Epoche neuerlicher Konkurrenz der Großmächte. Die Rivalität von USA und China ist systemisch. Bei dem Kampf um die künftige Weltmachtstellung geht es um die Frage wirtschaftlichen Wohlstands, die globale Technologieführerschaft und den Erfolg in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen sowie natürlicher Bedrohungen.
Der Erfolgsmaßstab ist die „Output-Legitimation“. Welches System löst sein Wohlstandsversprechen besser ein, welches ist effektiver in der Lage, mit den großen Herausforderungen der Gegenwart umzugehen?“ 
CONVOCO! hat sich mit dem Thema in einem zweiteiligen Newsletter beschäftigt. Lesen Sie heute den ersten Teil:

Das Spannungsfeld der Großmächte: Der Aufstieg Chinas und dessen Folgen

Laut Peter Wittig sind die entscheidenen Konflikttreiber dieser Großmachtrivalität:
  • Der Kampf um die wirtschaftliche und technologische Vorherrschaft
  • Die Konkurrenz zweier grundverschiedener weltanschaulicher Systeme
  • Der geopolitische Konflikt zwischen einer etablierten und einer neuen, aufsteigenden Großmacht um die globale Vorherrschaft.

Was hat zur wirtschaftlichen Erstarkung Chinas geführt?

Tatsache ist: Wirtschaftlich wird China die USA laut Prognosen bereits 2029 einholen

China hat seinen fulminanten Aufstieg unter eklatanter Missachtung der genannten freiheitlichen Prinzipien bewerkstelligt.

Zugang zur WTO

G. Felbermayr: Gerade die Offenheit vieler reicher Länder nach der Gründung der WTO im Jahr 1995 hat eine Situation geschaffen, die es China erlaubte, moderne Technologien aus dem Ausland zu importieren und nutzbar zu machen. Es ist also eine bewusste Liberalisierungsmaßnahme des Westens gewesen, die den Aufschwung Chinas maßgeblich mitverursacht hat.

 

Handelsliberalisierung führte zwischen China und dem Westen zu einer Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen. Die Aufnahme Chinas in die WTO hat zwar auch in den USA oder Europa aggregierte Wohlfahrtsgewinne gebracht, aber der prozentuelle Anstieg war größer in China. Die relative Position Chinas verbesserte sich.

 

China hat die Möglichkeiten der WTO sehr gut zu seinem eigenen Vorteil genutzt. So hat es über viele Jahre den Wechselkurs der eigenen Währung im Verhältnis zu Dollar und Euro beeinflusst, um Exportüberschüsse zu erzielen, die das Land zum Aufbau von Devisenreserven und für Investitionen in anderes Auslandsvermögen eingesetzt hat. Hier bieten die Regeln der Welthandelsorganisation keine Angriffspunkte. Auch die Subventionierung der Unternehmen, zum Beispiel über den Weg vergünstigter Kredite, konnte mit den Mitteln der WTO kaum sanktioniert werden.

 

Wenn es in einem Land keine Trennung zwischen der politischen und der wirtschaftlichen Sphäre gibt, dann wird der freie Warenhandel und der freie Kapitalverkehr mit diesem Land zu einem Risiko für die Handelspartner, weil sie strategisch ausmanövriert werden können.

Multilateralismus

Es gibt gegenwärtig einige mächtige Staaten auf der Welt, die den Multilateralismus nur so lange unterstützen, wie er ihren aggressiven Interessen nützt.

 

Wir müssen uns selbstkritisch fragen, ob die internationale Zusammenarbeit auch dann befördert werden soll, wenn einzelne Staaten die zweifelsohne gegebenen Vorteile des Multilateralismus nur nutzen, um ihre eigene aggressive und autokratische Politik zulasten unserer freien und demokratischen Gesellschaften zu profilieren.

 

So ist es China im Mai 2017 gelungen, seine „One Belt, One Road Initiative“ in den „United Nations Sustainable Development Goals“ unterzubringen. Zugleich missachtet China aber Sprüche des Ständigen Schiedsgerichts, wenn es um seine Hoheitsansprüche im Südchinesischen Meer geht. Und auch der 17+1-Gipfel ist nur ein vordergründig multilaterales Format, das in Wahrheit erstens die Europäische Union spaltet und zweitens der Erpressung der Mitglieder dient.

Folgen des wirtschaftlichen Erstarkens Chinas

G. Felbermayr: Das Produktivitätswachstum Chinas hat ganz überwiegend zu einer Verbesserung seiner relativen wirtschaftlichen Macht geführt.

As China has become richer, the world has become more equal, at least historically. Now, China is firmly middle income in the world, and as China becomes richer in general, the world is becoming less equal.

G. Felbermayr: Wenn nur die wirtschaftliche Macht Chinas stärker zunimmt als die eines geostrategischen Rivalen, dann wächst die Möglichkeit, dass China seine vergleichsweise größeren Möglichkeiten einsetzt, um seine Interessen – politische wie wirtschaftliche – auf Kosten des Rivalen durchzusetzen und damit dessen souveränes Handeln begrenzt.

 

In den letzten Jahren ist deutlich geworden, dass China seine zunehmende wirtschaftliche Macht für politische Zwecke einsetzt, und umgekehrt politischen Druck zur Erlangung wirtschaftlicher Ziele verwendet.

 

Die Weltwirtschaft ist so verflochten wie noch nie in der Geschichte der Menschheit. … Allerdings führt diese enge Vernetzung dazu, dass Veränderungen in einem Teil der Welt zu Verwerfungen in einem anderen Teil der Welt führen können. Und wenn ein Teil der Welt das Marktgeschehen mit politischen Mitteln manipuliert, um damit einen Machtgewinn zu erzielen, dann muss der andere Teil der Welt darauf reagieren, um keinen Machtverlust zu erleiden.

Über 300 Jahre hat die westliche Welt ihren Einfluss geltend gemacht … Alle weltwirtschaftlichen Standards, alle Institutionen und Organisationen, das Völkerrechtssystem, die Menschenrechte – sie sind allesamt westlicher Prägung. Diese Zeit ist vorbei.

Was bedeutet der Systemkonflikt für den Westen?

G. Felbermayr: Ein aggressives Verhalten Chinas gegenüber Taiwan oder Honkong würde den Westen Freiheitsgrade kosten; es ist aber durchaus möglich, dass gerade ein hartes Verhalten Pekings in seiner Nachbarschaft dazu führt, dass das Land in anderen Weltregionen an Reputation und Einfluss verliert, und der Westen wieder stärker ins Spiel kommt.

 

S. Simon: Für freiheitliche Gesellschaften stellt ein Systemkonflikt mit autoritären Staaten wie China eine besondere Herausforderung dar, weil gesellschaftliche Ressourcen nicht einfache Verfügungsmasse staatlicher Autorität sind. Die Selbstbeschränkung demokratischer Systeme reduziert notwendigerweise ihre Handlungsfähigkeit.

 

P. Wittig: Der wachsende US-chinesische Antagonismus birgt für Europa die Gefahr, zwischen die Mühlsteine zu geraten.

 

S. Simon: [Die Europäer:innen brauchen die EU], um sich in einer Welt von unilateral agierenden Supermächten, mit denen kein europäischer Staat allein konkurrieren kann, im europäischen Verbund behaupten zu können [und] um das europäische Freiheitsmodell im globalen Systemkonflikt verteidigen zu können … Entweder bewältigen die Europäer:innen diese Herausforderungen gemeinsam oder gar nicht.

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